Nach dem Abi zum Bildungsprojekt

Nepal: Das Dach der Welt.

Bekannt für die höchsten Berge, atemberaubende Natur und fremde Kultur. Als Praktikantin der Kinderhilfe Nepal Mitterfels lebt und arbeitet Sofie Gaudermann nach ihrem Abitur fast ein halbes Jahr lang dort.

Die Zeit hat sie und ihre drei Mitpraktikanten aus Deutschland sehr geprägt. „Diese Monate mit allen Höhen und Tiefen waren bisher die lehrreichsten und sinnvollsten in meinem Leben“, sagte die ehemalige Schülerin des Dr. Johanna-Decker-Gymnasiums. Anders als die meisten Projekte von Hilfsorganisationen ist das der Kinderhilfe Nepal Mitterfels nicht in einer Bergregion oder in der Hauptstadt Kathmandu angesiedelt, sondern im Terrain, genauer in Itahari. Die Stadt liegt mit ihren knapp 100 000 Einwohnern im Südosten des Landes an der indischen Grenze. Mit nur 90 Metern über dem Meeresspiegel ein Ort, der von den meisten Touristen gemieden wird.

Gefangen in Armut

Dieser Teil des Landes ist stark vom Hinduismus und vom Kastenwesen geprägt, das trotz der offiziellen Abschaffung immer noch im Alltag der Menschen präsent ist. Wer einmal im Kreislauf der Armut gefangen ist, dem fällt es schwer, sich wieder zu befreien. Hier setzt das Projekt von Kinderhilfe Nepal Mitterfels an: Den Kindern Zukunftsperspektiven aufzeigen, um ihnen eine Chance auf ein besseres Leben zu geben. Zusammen mit einer nepalesischen Organisation untersuchte der Verein 2016 die Schulstruktur der Mushara-Gemeinden. Dabei stellten sie einen erheblichen Mangel an Schulbildung fest: Kein Schüler war über die fünfte Klasse hinaus in der Schule. Stattdessen mussten die Kinder mit den Eltern als Tagelöhner arbeiten. Im Mai 2017 entstand ein bislang einzigartiges Pilotprojekt. Die Arbeit konzentriert sich auf zwei kleine Dörfer der Mushara-Kaste, eine der Ärmsten in Nepal. Schulbildung spielt dort eine eher untergeordnete Rolle. Von Beginn an konnten sich junge Nepalesen für den Lehrerberuf begeistern und geben bis heute jeden Abend Nachhilfestunden für die Kinder der Musharas, um sie in Nepali, Englisch und Mathe zu fördern.

Insgesamt handelt es sich dabei um knapp 100 unterstützungsbedürftige Kinder im Alter von vier bis 15 Jahren. Das Lehrangebot nahmen die Schüler gut an. Der nächste Schritt war, in der eigentlichen Bildungseinrichtung die Anwesenheit zu erhöhen. Zusammen mit allen Mitarbeitern wurde deshalb ein Schulbegleitsystem entwickelt, mit dem die Anwesenheit der Kinder sichergestellt wird.

Eltern überzeugen

Die Jungen und Mädchen werden in ihren Dörfern abgeholt und ihr Erscheinungsbild überprüft. Danach werden sie zur Schule begleitet. Ohne die Zusammenarbeit mit den Eltern wäre es schwierig, etwas zu erreichen. Eine Aufgabe der Angestellten des Mitterfelser Projekts ist es, ihnen zu vermitteln, was Bildung bedeutet und welche Möglichkeiten sich dadurch für die Kinder auftun. Speziell Frauen haben einen großen Einfluss in der Familie, weshalb es auch um Familienplanung und Selbstschutz ging.

Die Zusammenarbeit mit den nepalesischen Mitarbeitern beziehungsweise mit der Partnerorganisation ist eine grundlegende Voraussetzung. Sie beherrschen die Sprache und kennen die Kultur. Neben dem Vorbereiten und Halten der Englischnachhilfestunden ist der Kontakt zu den Nepalis eine der wichtigsten Aufgaben der Praktikanten. Gemeinsame Wochenplanung, Berichterstattung über Erfahrungen, Ideenfindung und der Austausch der Kulturen prägten den Alltag der vier jungen Leute – neben der Führung eines eigenen Haushalts in einem fremden Land. Die Praktikanten lebten sich gut ein und bald wurden aus Fremden Freunde. Der Spaß kam neben der Arbeit nicht zu kurz. Die jungen Deutschen feierten zusammen mit den Kindern an Feiertagen und ließen sich auf die Kultur ein.

Nach deutschem Vorbild

Die Nachwuchs-Lehrer ließen sich einiges einfallen, um Abwechslung zu schaffen, und etwas von der deutschen Arbeitsweise weiterzugeben. Zum Beispiel durften in einer Englischstunde ein Teil der Schüler zu Lehrern werden. Die sehr guten Schüler, die bereits lesen konnten, bildeten Teams mit einem Leseschwachen. In jeder Gruppe entstand eine unwahrscheinliche Willenskraft. Am Ende konnte jeder den Text lesen.

Bunt wurde es bei einer anderen Aktion. Kinder, Lehrer, Praktikanten und einige Eltern packten gemeinsam an, um das triste, graue Klassenzimmer in einen fröhlichen, farbenfrohen Raum zu verwandeln. In diesen Stunden gemeinsamer Arbeit „steckte jeder Beteiligte ein buntes Stückchen seines Selbst in den Raum“, sagt Sofie.

Am Ende des Aufenthalts war die aufrichtige Dankbarkeit von allen Seiten für Sofia Lohn genug. „Ein Bildungsprojekt mit aufzubauen, eigene Ideen einzubringen, ungeahnte Probleme zu lösen in einer vorher so fremden Kultur, die zur Heimat wurde – das erlebt man nicht alle Tage.“

 

Praktikantin Sofie, die nach dem Abitur für fünf Monate Kinder in Nepal betreut.

Praktikantin Sofie, die nach dem Abitur für fünf Monate Kinder in Nepal betreut.

Quelle: https://www.onetz.de